Ein Stein, der deinen Namen trägt

petrock1-grAm Weihnachtstag des Jahres 1975 lagen sie unter vielen, vielen amerikanischen Weihnachtsbäumen. Und bald erhielten sie von ihren glücklichen Besitzern wohlklingende Namen: Rebecca, Gregory, Jennifer und Benjamin.

Doch beginnen wir mit dem Anfang. An einem Abend im April 1975 saß Gary Dahl, seines Zeichens Werbefachmann aus dem sonnigen Kalifornien, mit Freunden in einer Bar bei einem – oder vielleicht mehreren – Gläschen Bier. Im Lauf des Gesprächs jammerten die Freunde über ihre Haustiere, die andauernd jede Menge Umstände machten. Hunde verlangen ein paarmal täglich ihren Spaziergang und bellen gerade dann, wenn sie nicht sollen. Katzen sind eigensinnig und wollen dennoch umsorgt werden, selbst ein Goldfisch fordert seine Essenszeiten.

Da kam Dahl ins Grübeln: was wäre wohl ein perfektes Haustier? Eines, dessen Haltung wenig Aufwand erfordert, das absolut stubenrein ist, nicht an den Wohnzimmermöbeln kratzt und darüberhinaus an die Nahrungsversorgung überschaubare Ansprüche stellt? Die Antwort war nach drei weiteren Gläsern Bier schnell gefunden: ein Stein!
Steine sind ja tatsächlich die prächtigsten Hausgenossen. Sie sind ausgesprochen anhänglich, laufen nicht weg, selbst wenn Türen und Fenster weit offen stehen, können sowohl in weiträumigen Wohnhäusern samt Garten, als auch in kleinsten Ein-Zimmer-Wohnungen problemlos gehalten werden.
Die aberwitzige Idee ließ Gary Dahl nicht mehr los und innerhalb von vierzehn Tagen hatte er ein vollständiges Marketingkonzept für seine Pet Rocks entwickelt. Das erste Problem, woher wohlgeformte Steine zu beziehen wären, war rasch gelöst. Im nächst gelegenen Baumarkt fand Dahl eine größere Menge an Kieseln, einheitlich gefärbt in lebensfrohem Grau, alle in ungefähr derselben Größe.
Fehlte nur noch eine dekorative Verpackung. Sie sollte die Illusion erwecken, dass darin ein lebendiges Tier aus Fleisch und Blut transportiert wird. So entwarf er innerhalb weniger Tage eine Trageschachtel, die mit Luftlöchern versehen war, und in der der Pet Rock sanft auf einem weichen Bett aus Holzwolle schlummern konnte. Keinesfalls fehlen durfte auch eine Leine aus einfachem Bindfaden – falls der Pet Rock doch einmal den wilden Duft der Freiheit verspüren sollte. Der Box beigelegt war außerdem ein Ratgeber für alle frisch gebackenen stolzen Besitzer: The care and training of your Pet Rock.petrock-care
Darin erläutert Gary Dahl humorvoll den korrekten Umgang mit dem neuen Mitbewohner. Auch kleine Kunststücke kann man dem neu gewonnenen Freund problemlos beibringen: To teach your pet rock to sit, start by placing it on the ground. Next, tell it to „sit.“ You will be surprised, as well as satisfied when you find that your pet rock remains in a sitting position on the ground.

Dahl schien mit dieser absurden, aber wohl auch genialen Idee, einen Nerv in der Bevölkerung getroffen zu haben, denn die Steine, die er für 1 Cent gekauft und nun als Pet Rocks für $ 3.95 (entspricht heute etwa $ 15) anbot, verkauften sich wie die sprichwörtlichen warmen Semmeln. Ein geschickter Schachzug des Marketingexperten war vermutlich auch, dass er die Pet Rocks nicht als Konkurrenz zu Spielwaren anbot, sondern eine Nische in der Geschenkeabteilung der Kaufhäuser entdeckte.
Bis zu Weihnachten 1975 hatte Dahl 2,5 Tonnen an Steinen verarbeitet – annähernd 5 Millionen Pet Rocks, die unter Christbäume gelegt und an die Liebsten verschenkt wurden.

So rasch wie der Hype um die Haustier-Steine begonnen hatte, so rasch war er aber auch wieder zu Ende. Nach dem Weihnachtsfest des Jahres 1975 fielen die Verkaufszahlen der Pet Rocks ins Bodenlose, doch Gary Dahl war in den wenigen Monaten seit der bierlaunigen Erfindung seiner Pet Rocks bereits zum Dollarmillionär avanciert.

Erfolg mit weiteren wahnwitzigen Ideen sollte Gary Dahl allerdings verwehrt bleiben. Weder ein konzipierter ‚Sandbrutkasten‘ noch das Projekt ‚Red China Dirt‘, bei dem das gesamte Festland Chinas in winzigen Portionen zu je 1 Kubikzentimeter in die Vereinigten Staaten geschmuggelt werden sollte, fanden micht die erwünschte Resonanz beim zahlenden Publikum.

Gary Dahl war später Inhaber einer Werbeagentur in Campbell, Kalifornien und starb im Jahr 2015.

Gary Dahl

Für alle, die nun – verständlicherweise – auf den Geschmack gekommen sind:
Seit kurzem ist der Pet Rock unter anderem Eigentümer – Gary Dahl hat die Namensrechte verkauft – wieder erhältlich.
Die Wiederholung des gigantischen Verkaufserfolgs der Pet Rocks aus dem Jahr 1975 lässt jedoch noch auf sich warten.


Bildquelle:
Alle Fotos © thepetrock

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