Der 23. Mai 1964 war ein sonniger, frühsommerlicher Tag im Norden Englands.
Jim Templeton, ein Feuerwehrmann und engagierter Hobbyfotograf, unternahm mit seiner Familie einen Spaziergang am Solway Firth, dem Meeresarm, der das nordwestlichste englische County Cumbria von Schottland trennt. Jim hatte wie so oft seine Kamera dabei, eine Kodak Spiegelreflexkamera. Er wollte den kleinen Ausflug unbedingt festhalten und ein paar Fotos von seiner fünfjährigen Tochter Elizabeth knipsen, die an diesem Tag ein hübsches neues Kleid trug.
Später gab Templeton an, dass außer ihm selbst, seiner Frau und seinen beiden Töchtern Elizabeth und Francis weit und breit niemand zu sehen gewesen sei. Da waren nur noch zwei ältere Damen, die in einem Auto weiter weg auf der Hauptstraße geparkt hätten. Eine leichte Brise wehte vom Meer, Elizabeth pflückte mit ihrer Mutter ein paar Blumen und Jim suchte einen passenden Platz im Gras, in dem er seine Tochter fotografieren wollte.
Elizabeth nahm den Blumenstrauß in die Hand und lächelte in die Kamera. Dann drückte Templeton den Auslöser – einige Fotos fürs Familienalbum. Doch als die Bilder entwickelt vom Fotolabor zurückkamen, war das Erstaunen groß. Hinter dem gelungenen Porträt Elizabeths war eindeutig eine äußerst merkwürdige Figur erkennbar. Ganz offensichtlich ein weiß gekleideter Mann, der einen Helm mit dunklem Visier trug, Richtung Kamera blickte und zu schweben schien. Die Gestalt erinnerte Templeton frappant an die Fotos von NASA-Astronauten, die er in Zeitungen gesehen hatte.
Das war die Geburtsstunde des Astronauten vom Solway Firth.
Jim Templeton traute an diesem Tag seinen Augen nicht, und auch später bestand er darauf: er hatte, während er das Foto seiner Tochter schoss, keine andere Person im Sucher der Kamera gesehen.
Seit der Veröffentlichung des seltsamen Fotos schwirrten die unglaublichsten Theorien durch die Medien. Von außerirdischen Astronauten war die Rede, von Raum-Zeit-Verschiebung, die es ermöglichte, den Weltraumtouristen auf Film zu bannen, ihn aber gleichzeitig unsichtbar für das menschliche Auge werden ließ. Eine ergiebige Fundgrube für Ufologen weltweit.
Auswertungen des Fotos, die Spezialisten der Polizei und der Firma Kodak vornahmen, konnten auch keinen Aufschluss liefern – das Bild war jedenfalls mit Sicherheit nicht manipuliert worden. Es handelte sich eindeutig nicht um eine Fälschung.
Was könnte also eine mögliche handfeste Erklärung für die tatsächlich sehr merkwürdige Person im Hintergrund des Porträts des kleinen Mädchens sein? Hier kommt ein anderes Foto ins Spiel, eines, das Jim Templeton am selben Tag aufgenommen hat.
Zu sehen wieder seine Tochter Elizabeth mit dem Blumenstrauß in der Hand. Rechts im Bild aber auch seine Frau Annie, die sich nach vorne bückt, vielleicht, um eine Decke im Gras zurecht zu streifen. Sie trägt ein sehr helles blaues, ärmelloses Kleid. Ihre Arme wirken auf dem Foto sehr bleich und ausgewaschen.
Eine neuerliche Untersuchung der Sheffield Hallam University aus dem Jahr 2014 meint nun, in dem ‘Astronauten’ mit großer Wahrscheinlichkeit Templetons Frau identifiziert zu haben. Sie könnte, während Templeton seine Tochter ablichtete, im Hintergrund unabsichtlich durch das Bild gelaufen sein. Die weißen Arme der Figur führt Universitätslektor David Clarke auf starke Überbelichtung zurück.
Dass Jim Templeton seine Frau im Sucher nicht gesehen hat, erklärt Clark mit den Besonderheiten der verwendeten Kamera. Nur etwa 70% dessen, was auf dem Foto abgebildet wurde, konnte Templeton im Sucher seiner Kamera sehen. Er dürfte deshalb seine Frau, die im Hintergrund durch das Bild lief, ganz einfach übersehen haben.
Wir sehen also, laut Clarke, keinen außerirdischen Besucher unseres kleinen Planeten, sondern eine weibliche, durchaus irdische Figur, die sich nicht dem Fotografen zuwendet, sondern – ganz im Gegenteil – von der Kamera entfernt. Das Foto zeigt somit den Rücken der Frau, das dunkle Visier des Helms wird zum kurzen Haar Annies, am Kopf trägt sie vermutlich ein helles Tuch.
Eine Erkundung vor Ort erklärt auch die auf den ersten Blick außergewöhnliche Perspektive, durch die der ‘Astronaut’ in merkwürdiger Haltung über der Landschaft zu schweben scheint:
Ein Hochwasserschutz ragt in einiger Entfernung hinter dem Mädchen auf. Ein Mensch, der diesen betritt, steht etwa einen Meter höher. Das sieht im Foto so aus, als würde er schweben.
Skeptiker wenden ein, dass es auch bei starker Überbelichtung des Fotos ausgesprochen unwahrscheinlich sein dürfte, dass die Arme der Figur vollkommen weiß erscheinen – schließlich ist das Porträt Elizabeths korrekt belichtet. Auch scheint manchen Kritikern der Rücken der Person zu muskulös, als dass es sich tatsächlich um Annie Templeton handeln könnte.
Wie dem auch sei – auch heute noch, mehr als 50 Jahre nach Entstehung des Fotos, ist es geeignet, die Fantasie des Betrachters anzuregen.
Jim Templeton jedenfalls blieb bis zu seinem Tod im Jahr 2011 dabei: auf dem Foto war eine mysteriöse Figur zu sehen, die er sich nicht erklären konnte.
Für alle, die jetzt daran interessiert sind, den Ort zu erkunden, an dem das Foto gemacht wurde – etwa an dieser Stelle entstand die Aufnahme mit dem merkwürdigen Astronauten vom Solway Firth: